LMU-Modelle INBEKO - Grundlagen

Lufthygienebegutachtung in Kurorten

Informationen zu den LMU Modellen „INBEKO“

(Integrierte Beurteilungskonzepte in Kurorten)

Prof. Dr. Dr. Dipl.-Phys. J. Kleinschmidt, Prof. Dr. Dr. Dipl.-Meteorol. A. Schuh

Stand 20.8.2008

2.   Entwicklungen in den Begriffsbestimmungen von DTV und DHV hinsichtlich der lufthygienischen Vorgaben

Die Vorgaben zu den periodischen lufthygienischen Überprüfungen in den Kurorten unterliegen einer ständigen Weiterentwicklung. Hierbei wird zweckmäßigerweise, aber nicht notwendigerweise auf Änderungen in der BImSchV Bezug genommen. Insbesondere können und sollen die Kurorte NICHT zu einem Aufwand gezwungen werden, wie er für den Landesämtern vorgegeben ist. 

Beispiele zur Messgrößenauswahl für Kurorte:

Auf das Reizgas Ozon wurde und wird bewusst wegen  der nur schlecht im Marketing zu  vermittelnden Doppelfunktion von Ozon ganz verzichtet: das sog. UV-A-Ozon ist einmal eine Belastungskenngröße für Großstadtverkehr, zum anderen  ist das sog. UV-C-Ozon geradezu ein Reinluftindikator,  z. B. in Kurorten im Gebirge.

Obwohl in der BImSchV nach wie vor als zu überwachende Lufthygiene-Kenngrößen vorgeschrieben, stellt das früher in Kurorten - in regelmäßig nur geringen Konzentrationen - gemessene Reizgas Schwefeldioxid nach der zwischenzeitlich flächendeckenden Entschwefelung von Heiz- und Dieselöl kein besonderes Alleinstellungsmerkmal mehr dar im Vergleich zu den Wohnorten der Kurgäste. Darum wird in den Begriffsbestimmungen seit 1998 auf SO2 verzichtet.

Umgekehrt wurde - obwohl NICHT in der BImSchV vorgesehen - der vor allem in den Nachkriegsjahren im Ruhrgebiet täglich auf den Fensterbrettern zu sehende "Abgasruß" durch einfache "Gesamtstaub-" bzw. "Schwarzstaub"-Messungen als marketingwirksames USP von Kurorten betrachtet. Da dort - weil in weit geringerem Ausmaß als im damaligen Ruhrgebiet vorhanden - kaum sichtbar, wurde wöchentlich kurörtlicher Niederschlagsstaub auf Folien gesammelt und anschließend quantitativ ausgewogen. Damit konnte der sicht-, riech- und sonstwie fühlbare Unterschied zur häuslichen luft- und andersweitig belasteteten Wohnortsituation gut verständlich dargestellt werden.

Für die Zielsetzung, im Marketing den Unterschied der jeweiligen typisch kurörtlichen "Luftfrische" zur Luftbelastung am Heimatort der Kurgäste darstellen zu können, kann heutzutage verwiesen werden auf die in allen Bundesländern im Internet veröffentlichten Angaben zu den LÜN-Messwerten (Jahresmittelwerte), zumindest, soweit vergleichbare BImSchV-Parameter auch in den Kurorten gemessen werden.

Diese Zielsetzung wird in den verschiedenen Modellen unterschiedlich realisiert.

----------------------------------------------------------------------

3)    Einer der Unterschiede drückt sich in der Verwertung von

Informationen aus Kurzzeitwerten

aus.

Für die Kurorte wurde schon immer  auf das  Messen  von  Halb-, Stunden-  oder  Tageswerten (-> gesetzliche Kurzzeitwerte)  für  diese  oder  jene  Substanz verzichtet. Gleichwohl lassen sich aus den einzelnen Wochenwerten, die zur Errechnung der Jahresmittelwerte dienen, noch Informationen entnehmen. Deren Verwertung erfolgt in den verschiedenen Modellen allerdings mit unterschiedlicher Zielsetzung:

a)   Gefahrenvermeidung:

Für die nur Tage bis wenige Wochen am Kurort verweilenden individuellen Kurgäste sind weder die bekannten mehr als 35 Überschreitungstage von 50 µg/m³ Feinstaub-PM10 (= Vorwarngrenze seit 2005) noch die mehr als 18 Stunden mit NO2-Konzentrationen über 200 µg/m³ (= Vorwarngrenze ab 2010) relevant. Dies wird u. a. durch die Ausnahme der Gültigkeit der gesetzlichen Vorsorgegrenzwerte für den Personenkreis, der sich nur kurz im Verhältnis zur Bezugsdauer der Vorsorgeregelungen an einem Ort aufhält, ausgedrückt.

Aber auch ganz abgesehen davon, dass selbst bei Überschreitungen von kurörtlichen Richtwerten keine "Gefährdungen" von Kurgästen  gegeben sind, laufen alle Versuche, äquivalente Umrechnungen aus Maximalzahlen von Überschreitungen - abgeleitet aus Quantilen für Verteilungen mit  weitaus mehr  Einzeldaten als nur 52 Wochenwerte - zu konstruieren, prinzipiell ins Leere: Während für das in der BImSchV vorgesehene zeitnahe Mitzählen von Überschreitungsfällen statistischer Quantile im Zeitverlauf einer Messreihe ggs. rechtzeitig -und sogar  einklagbar -  Gegenmaßnahmen (Aktionspläne) in Kraft gesetzt werden können, falls das Kriterium der Vorwarngrenze das Erreichen des Ziels, am Jahresende den zulässigen Jahresmittelwert einzuhalten, fraglich erscheinen  lässt, gibt es für Kurorte regelmäßig keine rechtliche Handhabe zu vergleichbaren Vorsorgemaßnahmen.

 

b)    Statt dessen wird mit einer das Positivum von Kurorten ausweisenden Zielrichtung im LMU-INBEKO-Modell aus den sog. Kurzzeitwerten einer kurörtlichen Messreihe eine statistisch begründete Maßzahl abgeleitet, die mit hinreichender Vorhersagewahrscheinlichkeit (> 95 %) ggs. schon früher als nach 1 Jahr das Abbrechen einer Messreihe erlaubt.

Für das Marketing lässt sich daraus - außer einer Kostenersparnis - verwerten:

je besser die kurörtliche Luftqualität, um so eher darf die Messreihe abgebrochen werden!

Um hierzu nicht auf die statistischen Einzelheiten eingehen zu müssen, kann in einem Vergleich zur wohl noch jedem Kurgast noch erinnerlichen Schülerzeit dargestellt werden,  dass letztlich eine am Jahresende gemittelte Zeugniszensur aus wöchentlichen Schularbeiten und/oder Extemporalia in einem Kernfach für das Kriterium "Versetzung ja oder nein" entscheidend war. Dazu durfte aber ein guter Schüler - analog wie auch die meisten Kurorte - schon früher in Ferienstimmung kommen, ohne seine Versetzung zu gefährden, als ein Kandidat mit schlechteren Einzelnoten: dieser  musste schlimmstenfalls noch bis zur letzten Wochenzensur vor den Ferien darum zittern, ob sein Jahresmittelwert letztlich ausreichen würde oder nicht.

--------------------------------------------------------------------------------------------

4)    Die

Berechenbarkeit der "Spielregeln"

ist dazu eine wichtige Voraussetzung, und auch hier unterscheiden sich die verschiedenen Modelle.

Die Unterschiede beruhen einmal - im übertragenen Sinne - auf der (im Vorhinein festzulegenden)  Bedeutung/Gewichtung eines Kernfachs im jeweiligen Schultyp, wonach z. B. in einem neusprachlichen Gymnasium für das Fach "Englisch" strengere Anforderungen gelten als etwa auf einem naturwissenschaftlichen Gymnasium.

Im Vergleich mit unterschiedlichen Schultypen entspricht das Differenzieren zwischen verschiedener Staubfraktionen unterschiedlichen Sprachdialekten, was durchaus eine Spezialität von neusprachlichen Gymnasien sein kann, während für Gymnasien mit anderen Schwerpunkten aber Grundkenntnisse in nur einer Hauptsprache ausreichen und dafür etwa naturwissenschafltiche, sozialwissenschaftliche, musische, sportliche oder andere Schwerpunkte deren Besonderheit begründen.

Eine Spezialisierung auf unterschiedliche USPs wird bekanntlich für die verschiedenen Kurort-Artbezeichnungen in Deutschland signalisiert.

Dabei müssen, wollen und sollen die ausdrücklich als HEILKLIMATISCHE KURORTE prädikatisierten Kurorte höhere Anforderungen (auch) an die Luftqualtität zu erfüllen haben, nicht aber

sonstige Kurorte und Heilbäder

mit Indikationen, die auf andere Alleinstellungsmerkmale ausgerichtet sind, also

*    in der Endstufe ("1. Bundesliga") die Moor-, Mineral-, See-, FELKE-, KNEIPP- oder SCHROTH-Heilbäder bzw.

*    in der Eingangsstufe ("2. Bundesliga") die Orte mit Heilquellen- oder Moor-Kurbetrieb bzw. die FELKE-, KNEIPP- oder SCHROTH-Kurorte .

 Diese "Normalanforderungen" gelten auch für Luftkurorte und Seebäder ("Regionalliga" oder "3. Liga"),

-    in denen es keine Badeärzte gibt,

-    darum dort auch keine ambulanten Kuren nach § 23 SGB V bezuschusst werden

-    und insofern für die länderstaatliche Anerkennung auch keine Indikationen wie Atemwegserkrankungen o. a. festzusetzen sind.

Zur Vollständigkeit ist  noch die "4. Liga" ("Landesliga") der staatlich anerkannten "Erholungsorte" bzw. "Küstenbadeorte"  zu ergänzen: dort brauchen für die Beurteilung der lufthygienischen Gegebenheiten keine Messungen durchgeführt zu  werden, sondern es reicht eine visuelle Sichtprüfung aus.
 

Für Heilklimatische Kurorte

sind demgegenüber generell "Atemwegserkrankungen" als Indikationen vorgesehen. Für bestimmte Formen von Atemwegserkrankungen können auch z. B. in Soleheilbädern oder Seeheilbädern besonders Reizgas-arme Atemluftverhältnisse die Wirkung durch die dort üblichen Inhalationen mit Heilquellensole oder Meeressole unterstützen. Darum werden in solchen Spezialfällen ebenfalls besondere Anforderungen an die Luftqualität gestellt.

Zur Realisierung der skizzierten Zielsetzungen sind schon seit 1998 (= 11. Auflage der Begriffsbestimmungen von DHV e. V. und DTV. e. V.) hinsichtlich der periodischen Lufthygienemessungen mehrere Modelle  vorgesehen, die alternativ  eingesetzt werden können und damit die Praktikabilität von kurortgemäßen Anpassung an Entwicklungen der allgemeinen Lufthygienesituation in Deutschland erweisen sollen:

 

 

*    als Standardmodell der Begriffsbestimmuingen:

NO2-Messungen ("Deutsch"), Feinstaub-PM10-Messungen ("Englisch"), Ruß im Feinstaub PM10 ("Japanisch"), ggs. Benzolmessungen im Verkehrszentrum ("Französisch")

mit niedrigen kurörtlichen Richtwerten für Heilklimatische Kurorte (allgemein formuliert: bei  einer länderstaatlich zugestandenen Indikation "Atemwegserkrankungen").

 

*    als zeitlich begrenzt zulässiges Alternativ-Modell:

NO2-Messungen ("Deutsch"), Grobstaubmessungen PM3-96 ("Schottland-Englisch"), Schwarze Partikel im Grobstaub ("Chinesisch"), ggs. Benzolmessungen im Verkehrszentrum.("Französisch")

Die Zulässigkeit dieser Alternative war zunächst bis zum 31.12.2004 begrenzt, wurde auf dem Heilbädertag 2005 in Bad Wörishofen bis 31.12.2007 verlängert und auf dem Heilbädertag 2008 in Bad Neuenahr ein weiteres Mal bis zum 31.12.2008.

 

Hierzu ergänzend wurden ab 2008 auch noch zugelassen

 

*   Alternativ-Modelle des Deutschen Wetterdienstes (DWD) INMEKO II:

NO2-Messungen ("Deutsch"), Gesamtstaub PM3-96-Bestimmungen ("Schottland-Englisch"), Schwarze Partikel im Grobstaub ("Chinesisch"), Feinstaub-PM2,5-Messungen ("Australien-Englisch")

 

*   Alternativ-Modelle der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) INBEKO:

NO2-Messungen ("Deutsch"), Feinstaub-PM10-Bestimmungen ("Englisch" für Normal-Gymnasien) bzw. PM10-Messungen ("Oxford-Englisch" für neusprachliche Gymnasien)

---------------------------------------------------------------------------

Die verschiedenen Modelle unterscheiden sich dabei neben der Meßgrößenauswahl ("Schwerpunktsfach") auch noch in anderen Details ("Bewertungsmodus") und dadurch auch in den Begutachtungkosten.